Inhaltliche Charakterisierung
Vorwort

Behördengeschichte
Die Justizexaminationskommission (anfangs: Immediat-Justiz-Examinations-Kommission; seit 1869: Justizprüfungskommission; seit 1923: Juristisches Landesprüfungsamt) zu Berlin wurde durch das "Reglement, wie es mit dem Examen derjenigen gehalten werden soll, welche in ein Justiz-Kollegium aufgenommen sein wollen" vom 12. November 1755 begründet.
Bereits durch Edikt vom 9. Dezember 1737 waren Bewerber auf Rats-, Fiskalats- oder Advokatenstellen (diese entsprachen ungefähr den heutigen Richter-, Staatsanwalts- oder Rechtsanwaltsstellen) bei einem der oberen oder obersten preußischen Gerichte (Kammergericht zu Berlin, Regierungen in den Provinzen, Hofgerichte, Konsistorien u.a. Obergerichte) verpflichtet worden, sich in Berlin zu präsentieren und vor einem der dortigen oberen und obersten Gerichte ("hiesigen collegiis": Kammergericht, Geheimer Justizrat, [Ober-]Tribunal, Konsistorium, Kriminalkolleg) eine umfängliche dreitägige Prüfung abzulegen. Bewerber auf Richterstellen an Untergerichten sollten hingegen weiterhin vor den Regierungen (Obergerichten) der jeweiligen Provinz geprüft werden.
Bezog sich diese Regelung vor allem auf Bewerbungen um Rats-, d.h. tatsächliche Richterstellen in den oberen und obersten Gerichtskollegien, so wurden bald darauf im Rahmen der "neuen Einrichtung [des] Justizwesens" Eintritt und Ausbildung überhaupt an diesen Gerichten neu organisiert: Im Rahmen des Projekts zum Codex Fridericianus Marchicus von 1749 wurde bestimmt, dass am Kammergericht und dem [Ober-]Tribunal und analog dann auch an den Obergerichten der Provinzen Auskultatoren und Referendare zur Erlernung der Gerichtspraxis angenommen werden sollten. Auskultator am Kammergericht oder einem Obergericht (einer Regierung in der Provinz) konnte man demzufolge werden, wenn man mindestens 20 Jahre alt war und ein Rechtsstudium absolviert hatte; erforderlich war eine Aufnahmeprüfung durch das annehmende Gericht. Nach einem Jahr konnte man sodann nach vorheriger Prüfung durch dieses Gericht eine Referendarsstelle erhalten. Der Abschluß des Referendariats wiederum wurde, so bestimmte es nun das Edikt vom 12. November 1755, durch die erfolgreiche Prüfung bei der neugegründeten ständigen Justizexaminationskommission zu Berlin erreicht, durch die man sich für eine Ratsstelle in den Kollegien der oberen und obersten Gerichte qualifizierte.

Das Verfahren zur Auswahl von Justizbeamten im preußischen Justizdienst umfaßte damit spätestens seit 1755 bis zu drei Stufen bzw. staatliche Prüfungen: Nach der Annahme eines studierten und examinierten Juristen zum Auskultator an einem Gericht aufgrund vorheriger (Auskultatoren-)Prüfung folgte nach etwa einjährigem Dienst bei fachlicher Eignung und entsprechender (Referendars-)Prüfung die Übernahme als (unbesoldeter) Referendar an diesem Gericht. Nach mindestens fünfjährigem Referendariat konnte sodann, als Voraussetzung für den Eintritt in ein oberes oder oberstes Gericht, eine (Assessor-)Prüfung vor der neugegründeten Justizexaminationskommission in Berlin folgen. Für den Eintritt in Untergerichte (Stadtgerichte, Gutsgerichte o.ä.) war diese letzte Prüfung hingegen nicht erforderlich, wohl aber seit 1780 das Ableisten des Referendariats.

Eine eingehende Darstellung der verwaltungs- und sozialgeschichtlichen Implikationen dieser Formalisierung des Ausbildungs- und Auswahlprozesses im Justizwesen ist hier nicht zu leisten. Gleichwohl sei darauf hingewiesen, dass die Gründung der Justizexaminationskommission 1755 direktes Vorbild für die Gründung der Oberexaminationskommission bzw. Prüfungskommission für höhere Verwaltungsbeamte (Bestand GStA PK, I. HA Rep. 125) war, durch deren Einrichtung die Prüfungslaufbahn für die höheren Verwaltungsbeamten in Preußen ähnlich geregelt wurde wie diejenige der richterlichen Juristen. Wie die Justizprüfungskommission aus Richtern des [Ober-] Tribunals und des Kammergerichts zu Berlin besetzt wurde, so wurden zur Besetzung der Oberexaminationskommission Geheime Räte des Generaldirektoriums bestellt. Im 19. Jahrhundert wurden auch Richter anderer oberster Gerichte und hohe Ministerialbeamte - fast ausschließlich nebenamtlich - als Mitglieder der Kommission berufen. Sie ressortierte seit ihrer Gründung beim Justizministerium.

Durch Gesetz vom 6. Mai 1869 vergrößerte sich das Aufgabengebiet der (jetzt:) Justizprüfungskommission beträchtlich. War bislang das Examen vor der Kommission nur zur Erlangung einer Stelle bei einem der oberen oder obersten Gerichte der Monarchie erforderlich, so mußte sich von nun an jeder Referendar, der in Preußen Richter, Staatsanwalt, Rechtsanwalt oder Notar werden wollte, nach der 1. (Referendars-)Prüfung vor einem Appellationsgericht, die das Studium abschloß, im Anschluß an das obligatorische Referendariat der 2. juristischen, sogenannten "Großen Staatsprüfung" in Berlin stellen. Das Auskultorat mit zugehöriger Aufnahmeprüfung wurde damit abgeschafft. Damit verbunden war für die Justizprüfungskommission ein weiteres Anwachsen der Prüfungszahlen (1797: 350 Prüfungen; 1897: 8606 Prüfungen).
Nach der neuen Ausbildungsordnung vom 11. August 1923, die am Charakter der 2. juristischen Staatsprüfung nichts änderte, wurde die Justizprüfungskommission in das Juristische Landesprüfungsamt umbenannt. Durch Erlass vom 21. September 1934 schließlich wurde das Reichsjustizprüfungsamt gegründet; das preußische Juristische Landesprüfungsamt ging in dieser Reichsbehörde auf.

Ihren Sitz hatte die Justizprüfungskommission zuerst im Kollegienhaus beim Kammergericht bzw. Obertribunal (Lindenstr. 15), ab 1869 (Gesetz vom 6. Mai 1869) dann beim Justizministerium (Wilhelmstr. 65). Das Reichsjustizprüfungsamt schließlich hatte seinen Sitz ebenda, ab Dezember 1937 schließlich in der Behrenstr. 6 (Gebäude der Deutschen Rentenbank-Kreditanstalt).


Bestandsgeschichte
Die erste und wichtigste Abgabe von Akten der preußischen Justizprüfungskommission erfolgte im Jahr 1938 (vgl. die Dienstakte I. HA Rep. 178 B Preußisches Geheimes Staatsarchiv, Nr. 441 fol. 12 ff.), nachdem das Preußische Geheime Staatsarchiv Ende 1937 zufällig durch einen Hinweis aus dem Reichsjustizministerium darauf aufmerksam geworden war, dass sich auf dem Boden des Reichsjustizprüfungsamtes noch Akten der Justizexaminationskommission befanden. Bei einer ersten archivarischen Einsicht wurden 9 Akten festgestellt; bei späteren Aufräumarbeiten tauchten weitere auf. Alle diese vorhandenen Akten aus dem Zeitraum von 1761 bis 1869 wurden dem Geheimen Staatsarchiv im Oktober 1938 übersandt (Akzession 3/39). Das Archiv nahm eine Bewertung vor, bei der Akten zur Anstellung von Subalternbeamten, zum Inventar und zur Verwaltung des Gebührenfonds kassiert wurden; von den überlieferten Prüfungsakten wurden nur exemplarische Einzelfälle archiviert (vgl. das Abgabeverzeichnis in I. HA Rep. 178 B, Nr. 564 fol. 22 ff.). Hingewiesen sei hier übrigens auf die Prüfungsakte Ernst Heinrich Görings (Nr. 26), des Vaters von Hermann Göring; sie war auf Anforderung des Justizministers an Göring für dessen "Familienarchiv" abgegeben worden und wurde dem Staatsarchiv nur in einer Kopie zur Verfügung gestellt (Akz. 53/1939).
Ab 1939 gab das Reichsjustizprüfungsamt dann regelmäßig Prüfungsakten früherer Jahrgänge an das Geheime Staatsarchiv ab (Akzessionen 86/40, 41/41, 10/42, 26/43, 29/43, 48/43).
Infolge der Auslagerung im 2. Weltkrieg 1942-44 in das Bergwerk Staßfurt gelangte der Bestand nach dem Krieg in das Deutsche Zentralarchiv der DDR in Merseburg; er wurde Anfang der neunziger Jahre in die Obhut des Geheimen Staatsarchivs PK zu Berlin überstellt und im Jahr 1993 dorthin überführt.

Akten zur Justizprüfungskommission finden sich auch in anderen Beständen des Geheimen Staatsarchivs PK; zu nennen sind die Bestände der zuständigen Fachbehörden, des Geheimen Rats bzw. des ihm angehörenden Justizministers (I. HA GR Rep. 9 AV Allgemeine Verwaltung, X 1 B 2 Fasz. 1-22) und des Justizministeriums nach 1807 (I. HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 2581-2592) sowie des Geheimen Zivilkabinetts (I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, jüngere Periode, Nr. 16853).


Bestandsumfang- und aufbau
Der Bestand umfaßt 2 laufende Meter. Er enthält im wesentlichen General- und Organisationsakten aus dem Zeitraum von 1761 bis 1869 sowie exemplarische Prüfungsakten (1867 bis 1869; 1925 bis 1935). Generalakten zu Organisation und Besetzung der Kommission nach 1869 sind nicht überliefert. Bei Abgabe der Prüfungsakten von 1925 ff. wurde darauf geachtet, aus jedem Jahrgang für jede Prüfungsnote ein bis zwei Beispiele zu archivieren.


Bestandsverzeichnung
Der Bestand wurde nach der Übernahme verzeichnet. Die vorliegende Verzeichnung folgt nach Überprüfung im wesentlichen dem alten Findbuch, unter Vornahme zahlreicher Korrekturen und Ergänzungen.



Die Akten sind zu bestellen als:
I. HA Rep. 84b, Nr. ###


Die Akten sind zu zitieren als:
I. HA Rep. 84b Justizexaminationskommission, Nr. ###


Die letzte vergebene Nummer ist:



Literatur:
- Bleek, Wilhelm: Von der Kameralausbildung zum Juristenprivileg : Studium, Pruüfung und Ausbildung der höheren Beamten des allgemeinen Verwaltungsdienstes in Deutschland im 18. und 19. Jahrhundert, Berlin 1972.
- Dilcher, Gerhard: Die preußischen Juristen und die Staatsprüfungen. Zur Entwicklung der juristischen Professionalisierung im 18. Jahrhundert, in: Karl Kroeschell (Hg.): FS für Hans Thieme, Sigmaringen 1986, S. 295-306.
- Ebert, Ina: Die Normierung der juristischen Staatsexamina und des juristischen Vorbereitungsdienstes in Preußen (1849 - 1934) (Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte 9), Berlin 1995
- Simon, August Heinrich: Geschichtliches über die Königlich Preußische Immediat-Justiz-Examinations-Kommission. Zur Säkular-Feier derselben am 12. November 1855, Berlin 1855.
- Simon, August Heinrich: Die Immediat-Justiz-Examinations-Kommission. Nachrichten über einige Veränderungen, die sie jüngst erfahren, und über die ihr im laufenden Jahre bevorstehende Säkularfeier, Berlin 1855.
- Stölzel, Adolf: Entstehung der juristischen Prüfungen und des juristischen Vorbereitungsdienstes in Preußen, in: Justizministerialblatt für die Preußische Gesetzgebung und Rechtspflege, Jg. 44 (1882), 48-50.
- N.N. [Stölzel, Adolf]: Entwickelung der Justizprüfungskommission und des Amtes ihres Vorsitzenden, in: Justizministerialblatt für die Preußische Gesetzgebung und Rechtspflege, Jg. 60 (1898), 51-58.
- Straubel, Rolf: Die friderizianischen Finanz- und Justizbeamten: Bemerkungen über ihr soziales und fachliches Profil, in: Zeitschrift für Beamtenrecht 53 (2005), 1/2, S. 13-19.
- Straubel, Rolf: Beamte und Personalpolitik im altpreußischen Staat: soziale Rekrutierung, Karriereverläufe, Entscheidungsprozesse (1763/86 - 1806), Potsdam 1998 (Bibliothek der Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, 2).



Berlin, Januar 2010



Dr. Kober, AR



Verweis auf ähnliches Material
I. HA, Rep. 125 Ober-Examinationskommission bzw. Prüfungskommission für höhere Verwaltungsbeamte
Zitierweise
GStA PK, I. HA Rep. 84 b
Umfang: Angaben zum Umfang: 2 lfm (91 VE)
Bereitstellendes Archiv: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz