Einleitung
Behördengeschichte
Zur Beobachtung und Beeinflussung der im Vormärz in ihrer Bedeutung stark gestiegenen Tagespresse richtete die preußische
Regierung im Jahre 1841 ein "Ministerial-Zeitungs-Bureau" ein. Seine Aufgabe war die Überwachung der Presse, auch hinsichtlich
der Überschreitung der Zensurgesetze, und die Einflussnahme auf sie zum Zwecke von Berichtigungen oder Klarstellungen seitens
der Regierung. Das Bureau wurde nach kurzer institutioneller Unterbrechung im Sommer 1848 neu eingerichtet als "Literarisches
Cabinet", ab 1850 als "Centralstelle für Preßangelegenheiten" im Staatsministerium, um gezielt mittels eines einheitlichen
und zentral geleiteten Regierungspresseapparates auf die zeitgenössischen Bewegungen pressepolitisch reagieren zu können.
Seine beiden Aufgaben waren die zentrale Sammlung und Sichtung von Tageszeitungen, Wochenblättern und Zeitschriften und, auf
dieser Grundlage, die Redaktion von Zeitungsberichten für die Ministerien, sowie die Belieferung der Presse mit offiziösen
Mitteilungen und eigenen Artikeln und die Herausgabe hierzu eigens gegründeter "Korrespondenzen" ("Provinzial-Correspondenz",
"Berliner Correspondenz") als einer Art "Zeitungen für Zeitungen". Die ihm zugedachte zentrale Stellung für die Pressepolitik
der preußischen Regierung konnte die "Centralstelle" allerdings nicht einnehmen, da die Zusammenarbeit mit den Ressortministerien,
die (v.a. das Außenministerium) auch weiterhin durchaus eine eigenständige Presse- und Informationspolitik betrieben, nicht
reibungslos funktionierte. Vielleicht aus diesem Grunde - wegen des faktischen Herausfallens der Außenpolitik aus der Zuständigkeit
der "Centralstelle" unter Bismarck - wurde sie 1862 in das Innenministerium als "Literarisches Bureau" (so seit 1860) eingegliedert,
wo sie bis zu ihrer Auflösung 1920 ressortierte. Aufgabe blieb weiterhin die Belieferung der zentralen Staatsbehörden (Preußen
wie auch Reich) einschließlich des Monarchen mit Zeitungsberichten aus bis zu 70 Zeitungen sowie die Herausgabe der mit 130.000
Exemplaren zeitweise durchaus auflagenstarken "Provinzial-Korrespondenz" (bis 1884) und anderer weniger auflagenstarker Korrespondenzen
("Berliner Korrespondenz"); hinzu kam die periodische Subventionierung regierungsnaher und freundlicher Blätter. Eine tatsächliche
Zentralstelle für Pressepolitik konnte das Büro mangels ausreichender Zuarbeit durch die Ressortministerien und mangels konsequenter
Zuweisung der entsprechenden Kompetenzen durch Unterordnung der einzelnen ministeriellen Pressebüros einhergehend mit einer
entsprechenden Monopolisierung des Umgangs mit der Presse nie werden. Im Ersten Weltkrieg verlor das Literarische Büro weiter
an Bedeutung und wurde 1920 aufgelöst. Eine bei der Reichskanzlei neu eingerichtete Pressenachrichtenstelle versorgte nun
die Zentralbehörden mit Zeitungsmaterial.
Bestandsgeschichte
Die Akten der "Centralstelle für Presseangelegenheiten" im Staatsministerium gingen 1860 mit der Verlagerung der Stelle in
das Innenministerium an dessen Registratur über. Die gesamten Akten des Büros wurden 1932 vom preußischen Innenministerium
an das Geheime Staatsarchiv abgegeben (Akzession 168/1932) und dort als Abteilung VI des Innenministeriums (I. HA Rep. 77,
Titel 926-944) aufgestellt. Die Akten gelangten durch die kriegsbedingten Auslagerungen schließlich in das Deutsche Zentralarchiv
in Merseburg. Dort löste man im Jahr 1969 die Titel 926-944 auf, faßte die Registratur des Literarischen Büros zu einem eigenen
Bestand "2.3.35" (Merseburger Tektonik) zusammen und ordnete diesen neu.
Von Merseburg wurde der Bestand 1993 nach Berlin in das Geheime Staatsarchiv PK zurückgeführt. Im GStA PK bildete man im Jahr
2001 schließlich aus dem Merseburger Bestand endgültig den neuen Bestand "I. HA Rep. 77 A Literarisches Büro" und signierte
die Akten entsprechend um.
Bestandsumfang- und aufbau
Der Bestand zählt 332 Verzeichnungseinheiten mit einem Umfang von ca. 4 laufenden Metern. Er enthält Organisations- und Personalakten
sowie Akten zu den einzelnen vom Literarischen Büro gehaltenen oder unterstützten Periodika.
Akten zur Tätigkeit des Literarischen Büros bzw. zur zentralen Pressearbeit finden sich entsprechend seiner grundsätzlichen
Zuständigkeit für alle Ministerien bzw. die Staatsregierung auch in vielen Beständen der Zentralbehörden, u.a.:
I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, Nr. 203-206, 3736
I. HA Rep. 90 Staatsministerium, ältere Registratur
I. HA Rep. 90 Annex K Pressestelle
I. HA Rep. 77, CBS Zeitungsausschnittssammlung
I. HA Rep. 77, Abt. VI Presse
I. HA Rep. 151, HB Nr. 886
III. HA MdA, I Nr. 9052, 9053.
Bestandsverzeichnung
Die vorliegende Verzeichnung beruht auf einem Merseburger Findbuch der Jahre 1950-60.
Die Akten sind zu bestellen als:
I. HA Rep. 77 A, Nr. ###
Die Akten sind zu zitieren als:
GStA PK, I. HA Rep. 77 A Literarisches Büro, Nr. ###
Die letzte vergebene Nummer lautet: 332
Berlin, Mai 2014
Dr. Kober
Literatur:
Gertrud Nöth-Greis: Das Literarische Büro. in: Wilke, Jürgen (Hg.): Pressepolitik und Propaganda. Historische Studien vom
Vormärz bis zum Kalten Krieg (Medien in Geschichte und Gegenwart, 7) Köln u.a. 1997, 1-78.
Gertrud Nöth-Greis: Das Literarische Büro (Hausarbeit zur Erlangung des akad. Grades M.A.), Rüsselsheim/Mainz 1994.
Gunda Stöber: Pressepolitik als Notwendigkeit. Zum Verhältnis von Staat und Öffentlichkeit im wilhelminischen Deutschland
1890 - 1914 ([Historische Mitteilungen der Rankegesellschaft, Beiheft 38] Stuttgart 2000.