Einleitung
1. Behördengeschichte
Als Kurfürst Johann Sigismund von Brandenburg 1613 zur reformierten Konfession übertrat, versuchte er, neben dem Geheimen
Rat einen mit Reformierten besetzten Kirchenrat zu etablieren, löste ihn wegen großen Widerstands jedoch 1618 wieder auf.
Wichtige Angelegenheiten des Kirchenregiments wurden danach nicht an das 1540 gegründete Kurmärkische Konsistorium zurückverwiesen,
sondern dem Geheimen Rat übertragen. Hierzu gehörte namentlich die Bestellung der Inspektoren und die Besetzung der landesherrlichen
Patronatsstellen. Auch wurde das Kurmärkische Konsistorium von einem rein lutherischen in ein konfessionell gemischtes Kollegium
umgewandelt, das nun auch das Kirchenregiment über die reformierten Gemeinden im Lande führte.
1680 gab es in Brandenburg 16 reformierte Kirchengemeinden. Es handelte sich dabei einerseits um die Personalgemeinden, welche
die Kurfürsten an den Schlosskapellen in Berlin und den Nebenresidenzen etabliert hatten, andererseits um die von reformierten
Fachleuten, die sich nach dem Dreißigjährigen Krieg in Brandenburg niedergelassen hatten, gegründeten reformierten Kolonien
auf dem platten Land (z.B. Zehlendorf und Zühlsdorf). Ferner errichteten die Landesherren in einer Reihe von Stadt- und Landgemeinden
lutherisch-reformierte Simultaneen, d.h. die Kirchen wurde von verschiedenen Konfessionen genutzt. Zahlenmäßig gestärkt wurden
diese Gemeinde vor allem durch reformierte Zuwanderer aus der Pfalz.
Nach der Aufhebung des Edikts von Nantes entstand dann in Brandenburg-Preußen eine Französische Kolonie als eigenes Rechtsgebilde,
deren geistliches Leben einer Commission Ecclésiastique unterstellt wurde. Daraus ergab sich in der Folge das Bedürfnis, auch
die bereits bestehenden deutsch-reformierten Gemeinden einem eigenen Kollegium zu unterstellen. Diese Funktion übernahm das
1713 durch die "Ordnung der reformirten Kirchen und des dazu bestellten Kirchen-Direktorii" gegründete evangelisch-reformierte
Kirchendirektorium, das mit Ausnahme von Kleve, Mark und Ravensberg für alle preußischen Provinzen zuständig war. Das Kollegium
wurde von einem adligen Präsidenten geleitet, dem die Geheimen Räte reformierter Konfession sowie jeweils zwei reformierte
Theologen und zwei reformierte Politicis' beigeordnet wurden. An Aufgaben oblag diesem Kollegium vor allem die Einstellung
und Führung der Geistlichkeit, ein Vorschlagsrecht für die durch den König direkt zu ernennenden Geistlichen und die Aufsicht
über die reformierten Schulen. Noch im selben Jahr erließ das Kirchendirektorium in seinem Zuständigkeitsbereich eine Inspektions-,
eine Presbyterial- und eine Klassikalordnung. (Die Klassen bestanden aus den Kirchen eines Inspektionskreises. Die Prediger
einer Klasse hatten sich einmal jährlich zu Beratungen zu treffen.) Außerdem erging eine Gymnasial- und Schulordnung. Auch
die 1696 von Kurfürst Friedrich III. gegründete Stiftung Mons Pietatis - sie sollte reformierte Einrichtungen fördern und
reformierte Glaubensflüchtlinge unterstützen - wurde dem Kirchendirektorium unterstellt.
Das Kirchendirektorium war seinerseits zunächst dem Geheimen Rat, seit den 1730er Jahren dann dem Geistlichen Departement
unterstellt. Zusammen mit den anderen höheren Kirchenbehörden des 18. Jahrhunderts wurde es im Zuge der Preußischen Reformen
1811 aufgelöst.
2. Bestandsgeschichte
Der Bestand wurde im Zuge der Retrokonversion der Findmittel zu den zentralen Kirchenbehörden des 18. Jahrhunderts neu gebildet.
Er umfasst in erster Linie die zuvor im Bestand I. HA Rep. 76 Alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und
Schulsachen unter der Ziffer V Evangelisch-reformiertes Kirchendirektorium aufgestellten Akten sowie bislang als X. HA Rep.
40 Konsistorium Küstrin geführte, unverzeichnete Akten.
3. Literatur
Mühler, Heinrich von, Geschichte der evangelischen Kirchenverfassung in der Mark Brandenburg, Weimar 1846.
Pockrandt, Mark, Biblische Aufklärung. Biographie und Theologie der Berliner Hofprediger August Friedrich Wilhelm Sack und
Friedrich Samuel Gottfried Sack, Berlin 2003, S. 18-20.
Ribbe, Wolfgang, Brandenburg auf dem Weg zum polykonfessionellen Staatswesen (1620 bis 1688), in: Gerd Heinrich (Hrsg.), Tausend
Jahre Kirche in Berlin-Brandenburg, Berlin 1999, S. 267-292, hier S. 280f.
4. Verweise auf andere Bestände und Archive
GStA PK
- I. HA Rep. 99 (Ober-) Konsistorium
- I. HA Rep. 244 Französisch-reformiertes Oberkonsistorium
- IV. HA, Rep. 17 Oberkriegskonsistorium
- XX. HA, Rep. 67 Konsistorium zu Königsberg
Brandenburgisches Landeshauptarchiv
- Rep. 40 A Kurmärkisches Konsistorium
- Rep. 40 B Neumärkische Konsistorium
Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen
- A 203 II Evangelisch-Reformiertes Kirchendirektorium zu Berlin
- A 203 III Französisches Oberkonsistorium zu Berlin
- A 202 I Minden-Ravensberg, Konsistorium
Staatsarchiv Stettin
- 0040 Französische Reformierte Kirche zu Stettin
5. Anmerkungen, Bestellsignatur und Zitierweise
Die Akten sind zu zitieren: GStA PK, I. HA, Rep. 243 Evangelisch-reformiertes Kirchendirektorium, Nr. (
)
Dr. Leibetseder
Berlin, 09.01.2012