VORBEMERKUNG
Behördengeschichte:
Die Zentrale Kommission für die Rheinschifffahrt (im Folgenden: ZKR) ist einer der ältesten heute noch existierenden multilateralen
Behörden der Welt.
Ihre Geschichte reicht zurück bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, als mit dem Rheinschiffoctroi von 1804 eine vertragliche
Festlegung der Bedingungen der Rheinschifffahrt zwischen Frankreich und dem Heiligen Römischen Reich getroffen wurde.
Die für beide Seiten bedeutende Handelsschifffahrt war bis dahin durch die v.a. finanziellen Interessen der diversen Anrainer
erschwert. Diese schlugen sich in einer Vielzahl von Zöllen und teils bis auf das Mittelalter zurückreichenden Abgaben und
Zwangsrechten nieder, welche den Warenverkehr verlangsamten und verteuerten. Durch den Vertrag vom Aug./Oktober 1804 [s. Endnote
1] wurde der Großteil dieser vielfältigen Abgaben zugunsten eines einheitlichen "Octroi" aufgehoben. Zur Administration und
Verteilung dieser Schifffahrtsabgabe wurde in Mainz eine Verwaltungsstelle eingerichtet, die als Vorläufer der ZKR anzusehen
ist. Weitere Aufgaben betrafen die bauliche Unterhaltung der Schifffahrtswege (Fahrrinne und Leinpfade) und die Schlichtung
von Streitigkeiten.
Bereits der Pariser Friede vom 31. Mai 1814 bestimmte im Artikel V, dass "die Schifffahrt auf dem Rhein von den Punkten, wo
er schiffbar wird, bis in das Meer und rückwärts vollkommen frei" sein solle. Die Einzelheiten sollte der Friedenskongress
bestimmen.
Im Wiener Kongress wurde als wichtiges Prinzip die "Freiheit der Schifffahrt" auf den mehrere Anrainerstaaten durchquerenden
Flüssen verabredet. Die Wiener Schlussakte vom 9. Juni 1815 [s. Endnote 2] begründete die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt
offiziell. Diese tagte zum ersten Mal am 5. Aug. 1816 in Mainz. Die dort infolge des Rheinschiffoctroi bereits geschaffenen
Verwaltungsstrukturen wurden dabei übernommen. Die Zentralkommission sollte die zwischenstaatlichen Grundlagen und das Reglement
in einem eigenen Vertrag regeln, der nach langen Verhandlungen allerdings erst 1831 zustande kam, der "Mainzer Akte" vom 31.
März 1831 [s. Endnote 3], einem völkerrechtlichen Vertrag zwischen den Rheinuferstaaten Frankreich, Baden, Bayern, Hessen-Darmstadt,
Nassau, Preußen und den Niederlanden. Die Schweiz trat der Zentralkommission erst 1919 als Folge des Versailler Vertrages
bei, ohne jedoch die Nachfolgevereinbarung der Mainzer Akte, die Mannheimer Akte zu ratifizieren.
Die Ausarbeitung der Mainzer Akte gestaltete sich vor allem wegen der widerstreitenden Interessen Preußens und der Niederlande
über die Auslegung der Grenzziehung der freien
Schifffahrt "bis zum Meer" als schwierig, da die Niederlande die Grenze oberhalb der Rheinmündungshäfen und nicht im Meer
hinter dem Mündungsbereich zog.
Die Mainzer Akte regelte u.a. die Erhebung der Zölle, die einheitliche Behandlung der Schifffahrttreibenden, die Unterhaltung
der Schifffahrtswege und setzte zur Rechtsprechung Rheinschifffahrtsgerichte ein. Erst mit der Mainzer Akte konnten ab 1831
die letzten städtischen Stapelrechte (Köln und Mainz) abgeschafft werden.
Mindestens einmal jährlich tagten die von den beteiligten Staaten entsandten Bevollmächtigten in Mainz. Aus der Tätigkeit
des preußischen Bevollmächtigten für die Rheinschifffahrt entstammt das Schriftgut des vorliegenden Bestandes.
Der Aufenthalt eines französischen Emissärs in der Bundesfestung Mainz wurde jedoch v.a. preußischerseits zunehmend kritisch
gesehen, weswegen es 1861 zur Verlegung der Kommission kam und Mannheim zum Sitz der Zentralkommission für Rheinschifffahrt
bestimmt wurde.
In Mannheim wurde am 17. Okt. 1868 unter den Signatarstaaten Frankreich, Niederlande, Baden, Bayern, Hessen, Nassau und Preußen
die Revidierte Rheinschifffahrtsakte verabschiedet, die daher den Namen "Mannheimer Akte" trägt und bis heute die rechtliche
Grundlage der ZKR bildet. Nach der Mannheimer Akte kann die Zentralkommission auch über einzelne untergeordnete Sachfragen
eigenständige Entscheidungen fällen, ohne dass diese diplomatisch unter den zugehörigen Staaten ausgehandelt werden müssen.
In der Folge wurden grundsätzliche Regelungen zum Status und zur Berechtigung der Schiffer (Schifffahrtspatente), zur Gefahrgutgefährdung
und zur Schifffahrtspolizei getroffen.
Nach dem deutsch-französischen Krieg verlor Frankreich Elsaß-Lothringen an das Deutsche Reich und schied damit 1871 aus der
Zentralkommission aus. Als Vertretung Elsaß-Lothringens wurde ein Reichsbevollmächtigter ernannt. Auch nach der Reichseinigung
behielten Hessen-Darmstadt, Baden und Bayern ihren Sitz in der Kommission, während Nassau den seinen 1866 mit der Einverleibung
in den preußischen Staat verloren hatte. Da diese Staaten jedoch keine eigenständige Politik gegen das Reich führen konnten,
war die Zentralkommission ab 1871 de facto eine bilaterale deutsch-niederländische Institution.
Der Versailler Vertrag ordnete 1919 die Verhältnisse neu. Frankreich trat wieder hinzu, der Sitz der Zentralkommission wurde
nach Straßburg verlegt. Dem Wunsch Frankreichs nach Beteiligung weiterer Staaten folgend wurden im Versailler Vertrag auch
die Schweiz sowie die Nichtanrainer Belgien, Italien und Großbritannien zu Mitgliedern der ZKR bestimmt. Ein wichtiges Projekt
der ZKR aus dieser Zeit betraf ihre Beteiligung an den Kanalisierungsarbeiten am Oberrhein.
Die nach 1919 angestrebte Revision der Mannheimer Akte wurde jedoch nicht vollendet, es kam lediglich zu einem (nur von der
Schweiz und Großbritannien ratifizierten) Änderungsvertrag, dem "Modus vivendi". 1936 stellten Deutschland und Italien ihre
Mitarbeit ein. Die ZKR stellte 1940 ihre Tätigkeit ein, kurz nachdem der Kommissionssitz nach Grenoble verlegt worden war.
Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die ZKR ihre Tätigkeit am alten Kommissionssitz Straßburg (Palais du Rhin) wieder auf, seit
1950 ist die Bundesrepublik wieder Mitglied.
Preußische Bevollmächtigte bzw. Kommissare:
Die beteiligten Staaten entsandten zu den Verhandlungen Kommissare, die teils der diplomatischen, teils (in Preußen überwiegend)
der administrativen Sphäre entstammten. Die preußischen Kommissare waren in der Regel hohe Beamte der Provinzial- bzw. seit
1837 der Ministerialbürokratie und oft speziell, z.B. steuer- oder handelsrechtlich, vorgebildet. Sie hatten hohe Beamtenstellen
bis zum Ministerialdirektor im Ministerium für Handel und Gewerbe (bzw. dessen Vorläufer) inne.
Sie führten eigene Registraturen, die nach Ende ihrer Amtszeit (mehr oder weniger vollständig) an das Ministerium der auswärtigen
Angelegenheiten, später an das Ministerium für Handel und Gewerbe, gelangten, von wo sie jeweils ihren Weg in das Geheime
Staatsarchiv fanden.
Als Bevollmächtigte wirkten:
Jacobi, Johann Friedrich (1765-1831); Rheinischer Steuer- Zollrevisor; 1816-1825
Delius, Daniel Heinrich (1772-1832); Reg.Präs. Köln; 1825-1832
Schütz, Carl August von (1777-1837); Geh. Oberfinanzrat, Provinzialsteuerdirektor zu Köln; 1833-1837
Westphal; Vortragender Rat im Finanzministerium, Abt. Handel und Bauwesen; 1837-1841
Unruh, Moritz Wilhelm Graf (1804-1842); Reg.Rat Finanzministerium; 1841-1842
Pommer-Esche I, Johann Friedrich (1803-1870); Geh. Oberfinanzrat; 1842-1849
Delbrück, Rudolf von (1807-1903); Min.Direktor im Ministerium für Handel und Gewerbe; 1849-1860
Moser, Eduard (1817-1874); Min.Direktor im Ministerium für Handel und Gewerbe; 1860-1867
Villers, Graf von; Vize-RegPräsident Koblenz (Vertretung Moser); 1867
Eck, Paul (1822-1889); Geh.OberRegRat im Ministerium für Handel und Gewerbe; 1867
Herzog, Karl Joseph Benjamin (1827-1902); Geh.Reg.Rat im Ministerium für Handel und Gewerbe; 1868-1871
Jacobi, Dr. Karl Rudolf (1828-1903); Geh.OberRegRat im Ministerium für Handel und Gewerbe; 1871-1873
Jebens, Albrecht Wilhelm (1830-1907); Geh.OberRegRat im Ministerium für Handel und Gewerbe; 1873-1876
Wendt, Georg Karl Adolf (1825-1917); Min.Direktor im Ministerium für Handel und Gewerbe; 1876-1892
Gamp, Karl Friedrich Oskar (1846-1918); Geh. OberRegRat im Ministerium für Handel und Gewerbe (zeitweise vertreten durch Wendt);
1892-1895
Hagen, Otto Hugo von der (1853-1912); Geh.OberReg.Rat im Ministerium für Handel und Gewerbe; 1895-1905
Bartsch, Walter Eduard von (1864-1915); Geh.Reg.Rat im Ministerium für Handel und Gewerbe; 1905-1915
Endnote 1:
"Convention für das Rheinschifffahrts-Octroi, vom 15. Aug. und 1. Oct. 1894". Abgedruckt in: Meyer, P.A.G. v. (Hrsg): Staats-Acten
für Geschichte und öffentliches Recht des Deutschen Bundes, Frankfurt/Main 1833
Endnote 2:
J. L. Klüber (Hrsg): Quellen-Sammlung zu dem öffentlichen Recht des Teutschen Bundes enthaltend die Schluss-Acte des Wiener
Congresses..., Erlangen 1830
Endnote 3:
Rheinurkunden. Sammlung zwischenstaatlicher Vereinbarungen, München/Leipzig 1918, Bd. 1 (1803-1860), Doc. 80, S. 263 ff
Bestandsgeschichte:
Nach der Beständeübersicht Müller/Posner von 1934 entstammen die Akten den (Dienst)-Nachlässen der preußischen Bevollmächtigten.
Die Dienstnachlässe Jacobi und Delius sind bereits im November 1837 akzessioniert worden, vermutlich als Abgabe des Ministeriums
der
auswärtigen Angelegenheiten. Diese Registraturen sind als geschlossene Aktengruppen beibehalten worden. Einige weitere Stücke
sind ebenfalls 1837 akzessioniert worden.
Alle anderen Verzeichnungseinheiten sind im Jahr 1924 übernommen worden. Es handelt sich um die "Gesamtregistratur" der nachfolgenden
Bevollmächtigten, die - so die Beständeübersicht von Müller/Posner 1934 - "beim Handelsministerium geführt und abgelegt" wurde.
Die Akten dieser "Gesamtregistratur" reichen bis 1920.
Nach Übernahme dieses Bestandsteils wurde die ältere Überlieferung weiterhin personenbezogen als Gruppe I "Registratur Jacobi"
und Gruppe II "Registratur Delius" geführt, ergänzt durch Gruppe III "Sonstiges" aus der Zeit bis 1832. Die jüngeren Überlieferungen
aus den Dienstnachlässen der folgenden Bevollmächtigten bis hin zu Bartsch sind nicht personenbezogen getrennt, sondern in
die Teile IV A "Protokolle" und IV B "Materien" geschieden worden. Der Gruppe IV B wurden dabei später auch alle jüngeren
Akten bis 1920 zugeordnet, darunter als Fehlläufer auch einige Protokollbände.
Der Bestand ist kriegsbedingt ausgelagert und bis zur Wiedervereinigung im damaligen Zentralen Staatsarchiv der DDR, Abt.
Merseburg verwahrt worden. Nach seiner Rückkehr nach Dahlem wurde er retrokonvertiert, wie folgt aufgestellt und online zugänglich
gemacht:
I. Registratur Jacobi
II. Registratur Delius
III. Varia und Druckschriften
IV. Protokolle und Materien.
Bei Erstellung der Behördengeschichte und der erneuten online-Stellung wurde der Bestand der besseren Übersichtlichkeit halber
neu klassifiziert. Die personenbezogenen Registraturen Jacobi und Delius wurden für die Korrespondenzakten und die Aktenserie
"Hauptverhandlungen" beibehalten. Die Sachakten aus beiden Registraturen wurden den "Materien" zugeordnet, jedoch nicht ohne
deren Herkunft mit dem Titelzusatz "Korrespondenz des Präsidenten Jacobi" bzw. "Registratur Delius" kenntlich zu machen.
Weiterhin wurden die Protokolle, soweit sie vormals unter der Gruppe "Materien" geführt wurden, ausgeschieden und der Hauptgruppe
"Protokolle" zugeordnet. Eine weitere Hauptgruppe zur "Organisation, Finanzen, Personal" der behördeninternen Verwaltung
wurde neu erstellt und die Gruppe "Materien", enthaltend Akten zur fachlichen Verwaltung, sachsystematisch weiter untergliedert.
Aus der Stellung eines Bevollmächtigten für zwischennationale Verhandlungen ergibt sich die enge Beziehung zum Ministerium
der auswärtigen Angelegenheiten. Dort ist eine sehr umfangreiche Überlieferung zur Rheinschifffahrt und zur Zentralkommission
vorhanden, die auch die entsprechende Gegenüberlieferung zum Schriftgut der Bevollmächtigten enthält.
Schifffahrtsangelegenheiten fielen ansonsten in das Ressort des Ministeriums für Handel und Gewerbe, dem auch seit 1837 alle
Bevollmächtigten entstammten. Hier sei insbesondere auf die umfangreiche Aktengruppe "Internationale Rheinschifffahrtskommission"
verwiesen.
Die Registratur der Kommission selbst wurde an den Behördensitzen Mainz, Mannheim und Straßburg geführt und befindet sich
heute, soweit erhalten geblieben, am Kommissionssitz in Straßburg. Alle anderen beteiligten Staaten bzw. deren Nachfolger
verwahren das Schriftgut ihrer Bevollmächtigten in ihren jeweils zuständigen Staatsarchiven.
Formalangaben:
Letzte vergebene Nummer: 601
Umfang (in laufenden Metern): 16
Gesamtlaufzeit des Bestandes: 1805 - 1921
Lagerungsort : Außenmagazin Westhafen
Die Akten sind auf gelben Leihscheinen wie folgt zu bestellen:
I. HA Rep. 113, Nr. #
Zitierweise:
GStA PK, I. HA Rep. 113 Preußischer Bevollmächtigter bei der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt, Nr. #
Berlin, im Oktober 2021
Brandt-Salloum, AOAR